Wach liegen in der Nacht: Warum wir nicht schlafen können und wie ein Nächte-Tagebuch helfen kann
- astridnowa
- 1. Nov.
- 4 Min. Lesezeit
Es gibt Nächte, die scheinen kein Ende zu nehmen. Du liegst wach, drehst dich von einer Seite auf die andere und spürst, wie jede Minute länger dauert als die vorherige. Der Körper ist müde, doch die Gedanken sind hellwach. Dieses Gefühl, nachts wach zu liegen, kennen erstaunlich viele Menschen. In Deutschland leidet rund ein Drittel der Erwachsenen regelmäßig unter Schlafproblemen. Und fast jeder hat schon Phasen erlebt, in denen das Einschlafen einfach nicht gelingen will.
Wachliegen in der Nacht ist nicht nur körperlich anstrengend, es kann sich auch emotional quälend anfühlen. Denn wenn alles um uns still ist, wird es in uns selbst besonders laut.
Wenn die Gedanken nicht schlafen wollen
Tagsüber ist immer etwas los: Termine, Arbeit, Gespräche, Menschen um dich herum, Nachrichten, Ablenkung. Doch nachts, wenn alles still wird, taucht das auf, was wir tagsüber weggeschoben haben. Sorgen, Erinnerungen, Zweifel und Ängste. Wachliegen ist oft ein Zeichen innerer Unruhe. Ich glaube, es zeigt, dass etwas in uns Aufmerksamkeit will.
Das Schlimme daran ist nicht nur das fehlende Einschlafen, sondern dieses Gefühl, den eigenen Gedanken ausgeliefert zu sein. Man spürt die Einsamkeit, obwohl vielleicht jemand direkt neben einem liegt. Genau deshalb empfinden viele das Wachliegen als besonders belastend.
Warum Wachliegen so schwer auszuhalten ist
Nachts denken wir anders als am Tag. Und wir fühlen anders. Dunkelheit und Stille verändern die Wahrnehmung. Zeit fühlt sich gedehnt an, Gedanken wirken intensiver und Emotionen stärker.
Warum kann das Wachliegen aber so quälend sein?
Es fühlt sich an, als ob die Zeit langsamer vergeht. Minuten werden zu Stunden. Jede Bewegung, jedes Geräusch wird wahrgenommen.
Unser Körper reagiert mit Stress, wenn du dich über das Nicht-Schlafen ärgerst, er setzt Adrenalin frei und macht das Einschlafen noch schwieriger.
Schließlich fühlt es sich noch an, als ob die Gedanken lauter würden. Nachts fehlt die Distanz. Was tagsüber klein wirkt, kann in der Dunkelheit riesig erscheinen.
Das Wachliegen ist wie ein inneres Karussell, das sich nicht stoppen lässt. Doch es gibt Wege, aus diesem Kreislauf auszusteigen. Aber nicht durch Ablenkung, sondern durch Hinwendung.
Achtsamkeit in der Nacht: sich selbst zuhören statt kämpfen
Der Versuch, den Schlaf zu erzwingen, funktioniert selten. Oft hilft das Gegenteil: Bewusst annehmen, dass man wach ist.Anstatt gegen das Wachliegen anzukämpfen, kannst du dich selbst beobachten. Ganz ruhig, freundlich und ohne Bewertung. Frag dich:
Was denke ich gerade?Was fühle ich wirklich?Was beschäftigt mich so sehr, dass mein Geist nicht ruhen kann?
Diese Form der Achtsamkeit kann erstaunlich befreiend sein. Wenn du dich auf dich selbst konzentrierst, statt gegen deine Gedanken zu kämpfen, verändert sich etwas. Du wirst vom Opfer deiner Unruhe zur Beobachterin, zum Beobachter. Und Beobachten bringt oft Ruhe, manchmal sogar Schlaf.
Das Nächte-Tagebuch: Schreiben als nächtliche Selbsthilfe
Eine besonders wirksame Methode ist das Führen eines Nächte-Tagebuchs. Dabei handelt es sich nicht um ein Schlaftagebuch, in dem du festhältst, wann du ins Bett gehst oder wie lange du wach warst. Das Nächte-Tagebuch ist etwas anderes: ein persönlicher Raum für deine Gedanken in schlaflosen Nächten. Denn nur dann wird es ausgefüllt.
Wenn du wach liegst, nimm Stift und Papier (kein Handy!) und schreib einfach auf, was in dir vorgeht. Im besten Fall lässt du die schön gestalteten Seiten des Nächte-Tagebuchs auf dich wirken. Die Fragen, die sanften Affirmationen und die Anregungen lassen dich mit dir nicht alleine. Auf einigen Seiten findest du ein schönes Gedicht, ein Liedtext, eine tiefgründige Weisheit oder herzliche Bilder, die dich gut durch die schlaflose Zeit begleiten. Und doch ist darin noch genug Platz zum freien Schreiben. Das kann dann auch wütend, traurig, verwirrt oder banal sein. Es geht nicht darum, gut zu schreiben, sondern ehrlich.
Das Schreiben hat mehrere Effekte:
Entlastung: Gedanken, die aufgeschrieben sind, müssen nicht mehr kreisen.
Selbstverständnis: Du erkennst Muster, so etwas wie wiederkehrende Sorgen, Themen oder Auslöser.
Kreativer Ausdruck: Manchmal entstehen im Dunkeln überraschend klare oder schöne Gedanken.
Viele Menschen berichten, dass sie nach ein paar Minuten Schreiben müde werden. Der Kopf scheint verstanden zu haben: Jetzt ist Raum für all das, was gesagt werden wollte. Und danach darf Ruhe einkehren.
Kleine Rituale für ruhigere Nächte
Wenn du häufig wach liegst, können kleine Rituale helfen, dich innerlich zu beruhigen und besser zur Ruhe zu kommen. Wichtig ist, dass sie regelmäßig und bewusst stattfinden, nicht als Zwang, sondern als Einladung zum Abschalten.
Ein paar einfache, aber wirkungsvolle Ideen:
Abendliches Licht-Ritual: Eine Kerze (Vorsicht wegen Brandgefahr!) oder eine sanfte Lampe kann helfen, den Übergang vom Tag zur Nacht zu spüren.
Gedankenparkplatz: Schreibe vor dem Schlafengehen alles auf, was dich beschäftigt oder was du morgen nicht vergessen willst. So kann dein Kopf loslassen.
Dankbarkeitsliste: Drei kleine Dinge, die heute schön waren. Das hilft, den Fokus zu verschieben.
Das „Ich darf wach sein“-Mantra: Wenn du aufwachst, sag dir leise: „Ich darf wach sein. Es ist okay.“ Dieser Satz nimmt den Druck und bringt Gelassenheit.
Solche Routinen signalisieren deinem Körper, dass Ruhe jetzt erlaubt ist. Sie schaffen Verlässlichkeit und können langfristig helfen, das Wachliegen seltener werden zu lassen.
Die Nacht als Spiegel und Chance zur Selbstbegegnung
Wachliegen wird oft als Scheitern empfunden. Doch vielleicht kann man es auch anders sehen. Vielleicht ist es eine Art Signal: Dein Inneres will gehört werden. Die Nacht ist manchmal der einzige Moment, in dem du wirklich mit dir allein bist, so ganz ohne Ablenkung, ohne Rollen, die du auszufüllen hast.
Das bedeutet natürlich nicht, dass man Schlafprobleme schönreden sollte. Wer regelmäßig unter Schlafstörungen leidet, sollte ärztlichen Rat suchen. Aber für viele, die nur gelegentlich wach liegen, kann die Nacht eine Gelegenheit sein, sich selbst besser zu verstehen.
Das Nächte-Tagebuch ist dafür ein wunderbares Werkzeug. Es verwandelt schlaflose Stunden in eine Form der Selbstreflexion. Statt dich machtlos zu fühlen, wirst du aktiv. Mit Stift, Papier und ehrlicher Aufmerksamkeit für dich selbst.
Wach liegen darf sein
Wachliegen in der Nacht ist etwas, das Millionen Menschen kennen. Es kann unangenehm, manchmal quälend sein, aber auch eine Chance.
Wenn du das nächste Mal mitten in der Nacht wach wirst, versuch nicht, den Schlaf zu erzwingen. Nimm Stift und Papier, öffne dein Nächte-Tagebuch und schreib einfach auf, was gerade da ist.
Vielleicht merkst du, dass der Schlaf irgendwann leise zurückkommt. Und selbst wenn nicht hast du etwas sehr Wertvolles gewonnen: einen ehrlichen Moment mit dir selbst. Die vermeintlichen Geister, die nachts gerne kommen, verschwinden, du kommst dir selber etwas näher und so kann die Nacht vielleicht zu einer guten Freundin werden.











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